Source : Cineastentreff.de - 12 octobre 2009
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Nun ist es also doch Jessica Schwarz, die nach langem Spekulieren über "die beste Romy" den Zuschlag für eines der wohl meistbeachteten Filmprojekte der deutschen Gegenwart erhielt. Die 32-jährige Schönheit aus der hessischen Provinz - sie hat wie Romy Schneider niemals eine Schauspielausbildung erhalten. Dennoch besitzt sie etwas, das so manche niemals lernen können: Tiefgang und Sensibilität vor dem Auge der Kamera. Im Interview erklärt die für ihre Rolle ("Romy", Mi. 11.11., 20.15 Uhr, ARD) verblüffend gewandelte Brünette, wie ihr Vorbild Romy Schneider sie an die Grenzen dessen brachte, was Schauspieler und Mensch ertragen können.
Teleschau : Viele Schauspieler, die eine reale Person verkörpern, betrachten es als Ideal, möglichst mit ihrer Figur zu verschmelzen. Sie sagen über Ihre Rolle als Romy Schneider, dass Sie dahinter als Schauspielerin klar erkennbar bleiben wollten. Warum ?
Jessica Schwarz : Über Romy gibt es eine fast zu üppige, manchmal verwirrende Flut an Informationen: Presseberichte, Tagebucheinträge, unermesslich viel Filmmaterial. Dazu Bildbände, Biografien, Zeitzeugen. Aus diesem Wust an Informationen musste ich meine Romy auf ein filmverträgliches Maß reduzieren. Ein weiteres Problem ist, dass Romy Schneider schon zu Beginn meiner eigenen Schauspielerei ein großes Vorbild für mich war. Um das alles hinter mir zu lassen, erschien es mir sinnvoll, eine eigene Persönlichkeit hinter der Rolle zu kreieren. Der Film ist sozusagen meine Interpretation von Romy - nach bestem Wissen und Gewissen.
Teleschau : Haben Sie beim Rollenstudium Ähnlichkeiten zwischen sich und Romy Schneider entdeckt ?
Jessica Schwarz : Auf jeden Fall. Das fängt damit an, dass wir beide keine klassische Ausbildung genossen haben, ohne Schauspielschule, ohne das technische Rüstzeug zur Annäherung an eine Rolle. Deshalb müssen wir beide vieles spüren, was bei - sagen wir - drei Filmen im Jahr ziemlich anstrengend ist. Wenn man dann noch wie ich aus der "Viva"-Ecke kommt, traut man mir handwerklich nicht allzu viel zu. Ich muss viel härter darum kämpfen, ernst genommen zu werden, als andere. Ich muss viel mehr beweisen. Ich habe diese kleine Romy in mir getragen, wie es viele meiner Kollegen tun. Diesen Makel anfänglicher Erfolge, die es zu bestätigen oder zu übertreffen gilt. Und dabei habe ich zu zeigen versucht, was diese Frau wirklich fühlt und zwar durch meine Augen. Gerade weil ich ein Jahr lang nichts anderes getan habe, als mir ihre Stimme anzueignen, musste ich meinem Leben dahinter Geltung verschaffen. Wer in dieser Berufung namens Schauspielerei zum einen den Beruf, zum anderen aber auch das private Glück dahinter spüren will - der sollte immer zusehen, dass ein bisschen was Eigenes in den Rollen steckt. Andernfalls wird man schnell aufgefressen.
Teleschau : Romy Schneider ist eine Ikone und Frau vieler Legenden, die im Bereich der Küchentischpsychologie fischen: Sie war zu sensibel für den Beruf, sie hat zu viel von sich in die Rollen hineingegeben und so weiter. Tragische Züge, aber positiv im Sinne des Romy-Images. Konnten Sie auch Dinge an Romy entdecken, die Sie stören, die Sie richtig auf die Palme bringen ?
Jessica Schwarz : Ich hätte mir für sie gewünscht, dass sie ihr Harmoniebedürfnis zugunsten selbst artikulierter Wünsche und Vorstellungen auch mal überwindet. Zu viel gute Stimmung kann auf Dauer einfach nicht gesund sein. Sie hätte früher öfter mal Nein sagen sollen.
Teleschau : Ein hoher Anspruch an eine blutjunge Schauspielerin in den konservativen 50-ern...
Jessica Schwarz : Sie hatte es in dieser Hinsicht wirklich schwer. Ich meine das alles generations- und epochenbereinigt. Ich will Ihr auch nichts vorwerfen. Für einen so offenen, vorurteilsfreien Menschen wie Romy, den ich in diesem Punkt auch in mir selber entdecke, hätte ich mir einfach mehr Durchsetzungsvermögen gewünscht. Dennoch kenne ich sie trotz allem doch zu wenig, um weitere Kritikpunkte an ihr zu entdecken - was bei der Intensität, mit der ich mich mit ihr beschäftigt habe, ja auch schon einiges aussagt über ihre Persönlichkeit.
Teleschau : Mich überrascht, dass Sie immer noch so etwas wie einen Minderwertigkeitskomplex durchscheinen lassen. Wo Sie doch längst bewiesen haben, dass sie es können. Sie waren so etwas wie die Muse von Dominik Graf, dem vielleicht anspruchsvollsten Regisseur Deutschlands. Haben Sie es selbst erlebt, dass Kollegen, Produzenten, Regisseure aufgrund ihres Quereinstiegs ins Fach sagten, Sie sollten zu froh sein, überhaupt mitmachen zu dürfen ?
Jessica Schwarz : Nein. Obwohl - es gab sicherlich Stimmen, die sagten, Jessica Schwarz soll Romy Schneider spielen? Das kriegt die doch überhaupt nicht hin! Aber so was spornt mich tatsächlich eher an. Ich kann diesen Druck, mich selbst beweisen zu müssen, ganz gut in schauspielerische Energie verwandeln. Ich habe einfach alles aufgesogen, was ich von Romy Schneider erfahren, was ich über sie lernen konnte.
Teleschau : Kann es sein, dass Sie die anstrengendste Rolle ihres Lebens hinter sich haben ?
Jessica Schwarz : Ja, ich denke schon. Das ging so weit, dass ich hin und wieder mal eine Woche Ruhe vor ihr brauchte. Doch bei geschlossenen Augen merkte ich, dass sie immer noch da ist. Je weiter ich sie von mir fort haben wollte, desto größer stand sie vor mir. Beim Drehen war genau das sehr hilfreich. Davor und danach eher weniger. Mein Schauspielcoach sagte sogar zu mir: "Jessi, wenn du mal irgendwann nicht weiter weißt, dann lass es dir doch von ihr zeigen." Diese Verbindung spüre ich noch heute. Sie ist mir schließlich überall hinterhergereist, in jedes Land, an jeden Drehort, in der Maske, im Auto, im Internet. Ihr war einfach nicht zu entkommen.
Teleschau : Ist Ihnen manchmal die Grenze zwischen Jessica Schwarz und Romy Schneider abhandengekommen?
Jessica Schwarz : Ach, man hat schon merkwürdige Marotten entwickelt. Ich habe zum Beispiel ein Foto von Will McBride ersteigert, einem Fotografen, der Romy oft abgelichtet hat. Und auch optisch wurde ich ja zu ihr. Dieser kleine spitze Haaransatz über der hohen Stirn, ihre Löwennase, die Augenbrauen - alles wurde zu Romy. Aber das hat es mir auch erleichtert, in sie hineinzugehen.
Teleschau : Nochmal - konnten Sie diese Verwandlung abends einfach so abstreifen ?
Jessica Schwarz : Nein, die haftet an einem. Eine ganze Weile. Nach dem Ende der Dreharbeiten musste ich deshalb eine große Tonne öffnen und alles hineinwerfen, was mir nicht richtig gelungen ist. Es ging so weit, dass ich während der Arbeiten einen allergischen Ausschlag bekam. Und als ich viel später mal mit dem Regisseur meines nächsten Films über Romy sprach, kam plötzlich dieses Nesselfieber wieder. Ich habe sie sozusagen körperlich verinnerlicht.
Teleschau : Vor "Romy" waren Sie in Breloers Buddenbrooks-Verfilmung zu sehen. Damit haben Sie nun Erfahrungen mit Literaturverfilmung, Originaldrehbuch und Biopic. Sind die Herangehensweisen unterschiedlich ?
Jessica Schwarz : Für mich sind sie das. Eine rein fiktionale, literarisch unbekannte Rolle kann auch eine schlechte Schauspielerin mit Leben füllen, weil dieses Gefäß völlig leer ist - es fehlt die Vergleichsmöglichkeit. Nur Regisseur und Autor haben eine Vorlage im Kopf, die es zu erfüllen gibt. Das ist bei einer literarischen, mehr aber noch bei einer realen Figur anders. Das Material ist geradezu unendlich. Man kann sich hinter nichts mehr verstecken. Vor einem türmt sich ein Berg aus Verantwortung. Für mich ist die Darstellung einer realen Person die schwierigste Aufgabe.
Teleschau : Eine Aufgabe, vor der Sie Angst hatten ?
Jessica Schwarz : Auf jeden Fall großen Respekt. Von dem Druck konnte ich mich nie wirklich befreien, aber man kann ihn sich ja auch zunutze machen, um Romys Verzweiflung, die viel mit Druck zu tun hatte, zu verinnerlichen. So wie sie immer alles hundertprozentig gut machen wollte, wollte ich es auch. Ich mag übrigens das Ergebnis sehr. Wirklich, deshalb muss ich den Film auch gar nicht unbedingt nochmal sehen. Nach dem ersten Anschauen habe ich ganz furchtbar geweint, das überrennt mich jetzt noch manchmal von hinten, wenn ich dokumentarische Bilder von ihr sehe.
Teleschau : Haben Sie Mitleid mit Romy Schneider ?
Jessica Schwarz : Ja und nein. Es ist weniger Mitleid als Anteilnahme, denn sie hat das Leben bei aller Schwere auch unglaublich genossen. Ich habe mit Menschen geredet, die mit leuchtenden Augen davon erzählten, wie ehrlich, wie herzerfrischend, ansteckend und echt ihr Lachen war. Es gab zu viele glückliche Momente in ihrem Leben, um das Gefühl Mitleid ganz oben zu platzieren. Ich bin aber traurig, dass sie so früh gehen musste. Sie hätte noch so viel zu geben gehabt.
Teleschau : Sie musste allerdings auch einstecken. An der Belagerung durch den Boulevard, an der aufkommenden Mediengesellschaft, ist sie auch ein Stück weit zerbrochen. Oder sehen Sie das anders ?
Jessica Schwarz : Ich denke, das größte Risiko war ihre Naivität. Gerade weil sie die Türen schon zu einer Zeit aufgemacht hat, als das noch gar nicht üblich war, weil sie die Presse so nah an sich herangelassen hat, wie vor ihr vielleicht kein anderer, musste sie irgendwann entdecken, dass sie selbst etwas falsch gemacht hat im Leben. Spätestens, als sie das Bild ihres toten Sohnes auf einer Titelseite sehen musste. Daran ist sie sozusagen doppelt zerbrochen.
Teleschau : Ist der Film auch eine Medienkritik ? Die wichtigste Statistenrolle spielen schließlich Paparazzi.
Jessica Schwarz : Natürlich.
Teleschau : Eine Medienkritik, die Sie teilen ?
Jessica Schwarz : Ich bin nicht auf einem Niveau, dass ich damit ernsthafte Probleme hätte. Ich werde auf Veranstaltungen fotografiert, aber vor meinem Haus sitzt noch niemand. Vielleicht auch, weil mein Privatleben nicht allzu spannend ist und ich es bislang gut genug schützen konnte. Über die öffentliche Suche nach Fehlern bei Prominenten vergisst man oft, dass es sich hierbei um Menschen handelt. Da wird man schnell zur Gejagten, was nicht nur für labile Personen gefährlich wird.
Teleschau : Haben Sie Sorge, dass Ihre Rolle als Romy Sie für den Boulevard noch interessanter macht ?
Jessica Schwarz : Ich denke, man muss ein gewisses Spiel mitspielen, um von denen wirklich belagert zu werden. Wenn ich zum Beispiel ständig nur die großen Dinger machen würde und vorn auf sämtlichen Fernsehzeitungen wäre. Was ich nur hoffe, ist, dass ich fortan nicht nur noch die Romy bin. Dass ich darauf reduziert werde. Bislang habe ich das Gefühl, die Leute sehen hinter mir vor allem das Bild von Romy selbst, an dem nun neue Facetten zu entdecken sind.
Teleschau : Kann man als Zuschauer bei einem Film wie "Romy" etwas lernen ?
Jessica Schwarz : Zunächst mal ist es der erste fiktionale Film über Romy Schneider in Deutschland. Das ist schon mal neu. Filmtechnisch revolutionär ist daran nichts, aber ich glaube, mit einem Biopic wie diesem bringt man dem Publikum den Beruf des Schauspielers in all seinen Facetten näher - was durchaus zu einem tieferen Verständnis dieses seltsamen Berufes führen kann. Das Fernsehen werden wir damit nicht verändern, aber das Bild von Romy Schneider, die eben so viel mehr war als nur der Star dreier "Sissi"-Filme.
Teleschau : Könnten Sie jetzt, nach dieser Arbeit, noch vorurteilsfrei die "Sissi"-Trilogie sehen ?
Jessica Schwarz : Ich glaube nicht, dass ich je wieder "Sissi" schauen muss. Ich hab meine Kindheitserinnerungen dazu und die sind gut und schön. Vielleicht, wenn ich selber Kinder habe. Ich kann es mir jetzt auf jeden Fall besser vorstellen, warum sie die Million für einen vierten Teil nicht angenommen hat. Ich weiß ja durch die Buddenbrooks, was es heißt, Korsett zu tragen. Beim Nachstellen der "Sissi"-Szenen habe ich dazu noch eine drei Kilo schwere Haartracht bekommen. Damit bei 30 Grad eine 19-Jährige zu spielen, während hinter einem die Leute in Salzburg "Ach, die Sissi" schmachten, in die Szene zu kommen, wo sich der Regisseur bei meinem Anblick totlacht - da kam ich mir so albern vor. Das ist zum Glück rausgeschnitten worden. Aber ich kann die "Sissi"-Filme jetzt sicher nicht mehr einfach ansehen. Weil ich die große Lüge, die damit in Zusammenhang steht - sowohl auf Sissi als auch Romy bezogen - einfach nicht mehr verdrängen kann.
Eric Leimann