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Der «Mythos» Romy Schneider lebt
Die große Schauspielerin hat sich privat nie für eine Rolle entscheiden können. Romy Schneider war die Männer verschlingende Femme fatale auf der Suche nach häuslicher Geborgenheit, die Emanzipierte mit dem Hang zu Machos und die Depressive voll kindlicher Lebensfreude.
«Ich kann nichts im Leben, aber alles auf der Leinwand», hat sie einmal über sich selbst gesagt. Ihr früher Tod an «gebrochenem Herzen» im Alter von 43 Jahren nach tragischem Leben machte sie vollends zur Legende. Am 23. September wäre die als Kaiserin «Sissi» bekanntgewordene Actrice 70 Jahre alt geworden. Zahlreiche Ausstellungen und Neuerscheinungen zeigen, dass der «Mythos Romy Schneider» unsterblich ist.
Allein zwei Jungschauspielerinnen versuchen sich in diesen Tagen in der Rolle der tiefgründigen Deutsch-Österreicherin, die selbst oft nicht so genau zu wissen schien, wer und wie viele sie eigentlich ist: Der deutsch-französischer Film «Eine Frau wie Romy» mit der Serien-Darstellerin Yvonne Catterfeld in der Hauptrolle soll im Herbst 2009 in die Kinos kommen. In einer Kooperation von SWR, WDR und ORF verkörpert die Moderatorin und Schauspielerin Jessica Schwarz Romy in einem für Anfang 2009 geplanten Fernsehfilm. «Romy war eine Frau, die alles gegeben hat, in der Liebe und im Beruf, sie hat sich verausgabt. Auf jeden Fall war sie eine Frau, die das Leben geliebt hat trotz aller Schicksalsschläge», analysiert Catterfeld ihre bisher wohl wichtigste Rolle.
Als Rosemarie Magdalena Albach wird Romy 1938 als Tochter des Schauspieler-Ehepaares Wolf Albach-Retty und Magda Schneider in Wien geboren, nach der Scheidung wächst sie teils im Klosterinternat auf. Zu ihrer dominanten und in ihrer Kindheit häufig abwesenden Mutter verbindet sie lebenslang ein enges, wenn auch nicht spannungsfreies Verhältnis. 1953 startet sie dann an deren Seite ihre Film-Karriere mit dem Streifen «Wenn der weiße Flieder wieder blüht», zwei Jahre später gelingt ihr als unschuldig-schöne Kaiserin in den drei «Sissi»-Filmen der Durchbruch. Dort fesselt sie das Publikum erstmals mit ihrer unvergleichlichen Ausstrahlung aus Kindlichkeit, Unschuld und tiefer Empfindungsfähigkeit, der sie später noch eine flirrende Erotik hinzufügt.
Ihr süßliches «Sissi»-Image wird die Vollblutschauspielerin erst los, als sie sich radikal neu orientiert und 1959 zu ihrer großen Liebe Alain Delon nach Paris flüchtet. Sie arbeitet manisch, dreht in den 1960er und 1970er Jahren international erfolgreiche Filme mit den großen Regisseuren der Zeit, mit Luchino Visconti, Orson Welles, Otto Preminger und vor allem Claude Sautet. Sie sei viel älter, als sie wüsste und habe eine Tiefe, eine Jungfräulichkeit und auch Sünde in ihrem Wesen, das unglücklichen Männern keine Furcht mache, soll Visconti mal zu ihr gesagt haben.
Doch so leicht sie die Männer verführen kann, so wenig dauerhaftes Glück bleibt ihr. Ihre Beziehung zu Delon und zwei Ehen scheitern, immer wieder wird in den Medien von ihrer angeblichen Bisexualität und ihren zahlreichen Liebschaften berichtet. Selbst Jahrzehnte nach ihrem Tod lässt es sich der inzwischen 79-jährige Aufklärungspapst Oswalt Kolle nicht nehmen, vor kurzem eine Affäre mit der Schönen zu «gestehen». Auch in der Liebe tritt die innere Zerrissenheit Schneiders zutage: Sie sucht sich dominante und starke «Beschützer», rebelliert aber gleichzeitig gegen ihre Unterwerfung.
«Romy ist die projektierte Verkörperung aller deutschen Frauenklischees der Nachkriegs-Jahrzehnte: von der Jungfrau über das Luder bis hin zur reuigen Mutter. Das hatte auch sie selbst klarsichtig erkannt und immer wieder versucht, sich davon zu befreien», notiert ihre Biografin Alice Schwarzer. Schneider bekennt sich im Magazin «Stern» öffentlich zu einer damals in Deutschland verbotenen Abtreibung oder lässt Nacktfotos im «Playboy» drucken. Auch ihre Tabletten- und Alkoholsucht dringt an die Öffentlichkeit.
Im Juli 1981 stürzt dann ihr Sohn David aus der Ehe mit dem Schauspieler Harry Meyen im Alter von 13 Jahren in das Eisengitter eines Gartenzaunes und stirbt. Die physisch wie psychisch erschöpfte Mutter überlebt ihr Kind nicht mal ein Jahr: Im Mai 1982 stirbt Romy Schneider im Alter von 43 Jahren an Herzversagen. Doch selbst dann kehrt nicht die von ihr so herbeigesehnte Ruhe um sie ein: Die Medien stilisieren ihr Ableben als einen «Tod an gebrochenem Herzen», mutmaßen einen möglichen Selbstmord und zahlreiche Menschen beginnen mit der öffentlichen Analyse der Frau, die zeitlebens so widersprüchlich war. «Zu viele mörderische Faktoren haben ihr die Kraft zum Weiterleben geraubt: der Schmerz um David, die Folgen der Nierenoperation, die Schwächung durch zwanzig Jahre Hungerkuren, der Alkohol, die Tabletten - und die Überdosis Weiblichkeit», schreibt Alice Schwarzer.
Von Miriam Bandar
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