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"Ihr entziffert mich nicht"
Heute wäre Romy Schneider 70 Jahre alt geworden. Ihr Leben ist längst ein Drehbuch. Nun soll es gleich zwei Mal verfilmt werden
Petra Ahne
BERLIN/BAD REICHENHALL. Es war Nacht, Torsten C. Fischer saß in einem kleinen Zimmer im ersten Stock eines Hauses in Oberbayern, nicht weit weg vom Haus begannen die Berge. Der Rest des Filmteams war in einem anderen Raum, es war ruhig. Torsten C. Fischer saß im Dunkeln, er glaubte, die Berge zu fühlen. Er dachte daran, wie das Mädchen, dem dieses Zimmer sechzig Jahre zuvor gehörte, die gleiche Stille gespürt hatte. Er fühlte sich dem Mädchen wieder ein Stück näher. Dem Kind, das Rosemarie Albach hieß. Und Romy Schneider wurde.
Am Tag nach den Dreharbeiten in Romy Schneiders Elternhaus am Fuß der Alpen sitzt Torsten C. Fischer im Restaurant eines gediegenen Hotels in Bad Reichenhall, nicht weit weg. Er sieht etwas müde aus, doch wenn er redet, ist er wach und konzentriert. Seine Gedanken über dieses Projekt, diese Frau, deren Leben er verfilmt, formuliert er in langen, geordneten Sätzen. Es sind viele Gedanken. Torsten C. Fischer dreht einen Film über Romy Schneider. Es wird der erste Spielfilm über ihr Leben sein. Er soll im nächsten Frühjahr in der ARD laufen, Romy Schneider wird von Jessica Schwarz gespielt. Ein zweiter Film soll ab dem Frühjahr gedreht werden, er soll ins Kino kommen, als Hauptdarstellerin ist Yvonne Catterfeld vorgesehen.
Am heutigen Dienstag wäre Romy Schneider 70 Jahre alt geworden. Gestorben ist sie mit 43. Hätte sie zwanzig Jahre länger gelebt, ihr Tod würde wohl als Schlusspunkt ihres Lebens gesehen. So wird ihr Leben von seinem Ende her erklärt. Weil es so früh kam. Weil man einem Herz ziemlich viel angetan haben muss, wenn es so jung zu schlagen aufhört. Romy Schneider wurde am Morgen des 29. Mai 1982 tot in ihrer Pariser Wohnung gefunden. Der Arzt stellte Herzversagen fest.
Seit ihrem Tod wird Romy Schneider erklärt. Wer sie war. Warum ihr Leben so endete. Wer Schuld hat. Viele glauben, Antworten zu haben. Sie haben sie erzählt und aufgeschrieben, in Biografien und Dokumentarfilmen. "Ihr entziffert mich nicht. Nicht mehr! Das tue ich, und zwar so, wie ich es will!!!" schrieb Romy Schneider einmal so oder ähnlich einer Freundin, genau weiß man das oft nicht bei Zitaten, die von ihr überliefert sind. Jedenfalls passen die Sätze. Sie wollte nicht gedeutet werden.
Gehalten hat sich nie jemand daran. Es reizt, sie zu entziffern. Unterhält man sich über Romy Schneider, fällt auf, dass Frauen in der DDR und in der BRD sie gleichermaßen interessant fanden. Sie sagen, dass sie, die Deutsche, die nach Frankreich ging, so etwas Selbstständiges, Glamouröses ausstrahlte. Dass man an ihr gern sein eigenes Leben maß, den eigenen Mut, die Risikobereitschaft. Dass es aber auch eine Unruhe, eine Verausgabung gab im Leben Romy Schneiders, die bedrohlich schien.
Ihr Leben, immer wieder nacherzählt, ist längst ein Drehbuch, reduziert auf Bilder und Wendepunkte. Es ist eine Geschichte, die einen Regisseur reizen muss. Da ist der Koffer mit einer Million Mark, die ihr der Stiefvater verspricht, wenn sie sich bereit erklärt, einen vierten Teil von "Sissi" zu drehen - sie lehnt ab. Ihr spontan gebuchter Flug nach Paris, zu ihrem Freund Alain Delon, der ein Flug in die Freiheit war, weg vom Image des unschuldigen Mädchens. Da sind die Bilder, auf denen sie bewundernd zu ihrem 14 Jahre älteren Ehemann Harry Meyen aufblickt, für den sie sich in Berlin als Hausfrau und Mutter versuchte. Die Jahre an der Seite ihres Sekretärs Daniel Biasini, wieder ein Mann der schnellen Autos und eines exzessiven Lebensstils, ihm haftet der Ruf an, ihr Vermögen ausgegeben zu haben. Dann das Drama. Der Tod ihres vierzehnjährigen Sohnes durch einen Unfall. Ihr eigener Tod, kein Jahr später. In diesem Drehbuch gibt es die gefeierte Schauspielerin und die zunehmend unglückliche Frau. Es ist eine Rolle, die französische Regisseure in den siebziger Jahren bevorzugt mit Romy Schneider besetzt hätten.
Torsten C. Fischer sagt, es sei jetzt wichtig, einen Schutzraum zu errichten. Einen Ort, zu dem die vorproduzierten Bilder und Deutungen keinen Zugang haben. In dem auch die Befürchtungen wegen Klagen, die kommen könnten, keinen Platz haben. Es ist riskant, Romy Schneiders Leben zu verfilmen. Wohl auch deshalb ist es noch nicht geschehen. Was für den einen die Wahrheit ist, ist für den anderen eine Lüge. Daniel Biasini, der in vielen Biografien nicht gut wegkommt, hat sich oft streitlustig gezeigt.
Die Berliner Filmfirma Phoenix, die den Film produziert, hat sich vorbereitet. Jede Drehbuchseite wird von Justiziaren geprüft. Man habe sehr gründlich recherchiert, sagt Markus Brunneman, der Chef von Phoenix. Und zeige nichts, was sich nicht belegen lasse.
Daniel Biasini kommt in dem Film als Person sicherheitshalber gar nicht vor. Zu Wort gemeldet hat er sich trotzdem schon. In der aktuellen Ausgabe der Fernsehzeitung Hörzu ist ein offener Brief Biasinis veröffentlicht, er schreibt, der Autor des Drehbuchs verdiene Geld damit, "Romy als Marionette darzustellen, die sich jedem vermeintlich Stärkeren unterwarf, nur Enttäuschungen und Niederlagen erlebte". Markus Brunnemann sagt, dass Biasini die jetzige Fassung des Drehbuch nicht gelesen haben kann: "Das ist nicht die Romy, die wir zeigen."
Torsten C. Fischer wollte Bedenkzeit, als ihm das Projekt angeboten wurde. Er hat bei mehreren von der Kritik gelobten Fernsehfilmen Regie geführt, auch über einen pädophilen Jugendlichen. Man kann ihn unerschrocken nennen. Doch Romy Schneider ließ ihn zögern. Er sagt, er wusste nicht, ob er "auf eine so lange Reise gehen" wollte mit dieser Frau, die er als Schauspielerin verehrte, aber über die er nicht viel wusste.
Am Ende sagte er zu. Er hat einen Ausdruck gefunden, der ihm gefällt, er hat er ihn auf einem Zettel notiert: Honka Dori. Das Nachempfinden einer Melodie, so wird in Japan die Tradition genannt, Werke berühmter Vorgänger nachzuahmen. Für Torsten C. Fischer drücken sie aus, was er vorhat mit dem Film: "Es geht nicht darum, Romy Schneider zu imitieren, sondern darum, ein Gefühl herzustellen für diesen Menschen". Jessica Schwarz, die Romy Schneider spielt, hat er vorgeschlagen.
Bis jetzt bestanden die Erklärungen Romy Schneiders aus Stimmen, die sich über ihr Bild legten, über die Fotos und Filme. Im Zentrum aber blieb sie selbst. Nun wird ihr Gesicht durch ein anderes ersetzt - dieses Gesicht, das als eines der eindringlichsten gilt, die man auf der Leinwand zu sehen bekommt. Es muss einer jungen Schauspielerin Angst machen, Romy Schneider zu spielen. Fragen kann man Jessica Schwarz das nicht, weil sie gerade keine Interviews gibt. Auch das gehört zu dem Schutzraum.
Jessica Schwarz ist 31 Jahre alt und wenn sie schon ein Image hat, dann dass sie talentiert und wandelbar ist. Sie hat sehr blaue Augen und ein klares Gesicht, eine Ähnlichkeit mit Romy Schneider fällt nicht auf. Torsten C. Fischer sagt, sie sei ein lebenslustiger, risikobereiter Mensch: "In den Mentalitäten ist sie Romy Schneider sehr nah."
Torsten C. Fischer glaubt, so etwas wie seine Wahrheit über Romy Schneider gefunden zu haben. Vor allem dank eines Menschen, der ihr sehr nah gewesen sei. Mit diesem Menschen hat er lange und oft geredet. Er wird ungenannt bleiben, das war die Vereinbarung.
Die Frau, die er nun vor sich sieht, wenn er an Romy Schneider denkt, ist stark, sie hat eine Gier nach Leben und grenzenlose Lust am Schauspiel. Männer sind für sie weniger wichtig, als es heißt. Wichtiger ist die Arbeit. "Die eigentliche Verführung waren die Regisseure" sagt Fischer.
Es wird jetzt auch ein Film über das Filmemachen. Über die Intensität des Drehens und die Leere danach. In Romy Schneiders Leben, scheint es, ist die Balance verlorengegangen zwischen der Arbeit und der Zeit davor und danach. Jeder, der beim Film ist, kann zumindest verstehen, wie das passieren kann. Auch deswegen sei das Projekt so reich, sagt Fischer, jetzt, zwei Wochen nach Drehbeginn. Sie weichen immer wieder ab vom Drehbuch, drehen oft mit einer kleinen Kamera. Ein Eindruck des Improvisierten entsteht, der wohl betonen soll, dass die Romy Schneider dieses Films nur ein Vorschlag ist.
"Ich glaube, Romy Schneider würde zu unserem Film sagen: Endlich hat mich einer verstanden." Das sagt Douglas Welbat, der auch einen Film über Romy Schneider drehen möchte. Er sitzt an einem sonnigen Vormittag in einem Café am Berliner Gendarmenmarkt und hat ziemlich gute Laune. Am Nachmittag wird er nach Zürich fliegen, zur Nichte Romy Schneiders. Er hatte ihr das Drehbuch geschickt, sie wird ihre Meinung dazu sagen. Welbat hat ein gutes Gefühl. Schon mit diesem Teil der Familie sprechen zu können, ist ein Sieg. Romy Schneiders Bruder, dessen Tochter er trifft, hat sich noch nie öffentlich zu seiner Schwester geäußert. Daniel Biasini ist sowieso einverstanden mit dem Projekt, sagt Welbat, der habe eine Gänsehaut bekommen, als er die Probeaufnahmen mit Yvonne Catterfeld sah. Auch Sarah Biasini, Romy Schneiders Tochter, sei angetan. Und Alain Delon habe zu Co-Produzent Raymond Danon, der einige Filme mit Romy Schneider produziert hat, gesagt: Wenn Du dabei bist, ist es in Ordnung.
Biasini. Delon. Sarah. Douglas Welbat nennt die Namen wie Beweise. Als ob damit schon das wichtigste gesagt sei über sein Projekt.
Douglas Welbat ist ein wuchtiger Mann, der gerne redet, mit einer Stimme, die an das Krümelmonster aus der Sesamstraße erinnert. Was daran liegt, dass das seine Stimme ist. Welbat, 51, arbeitet als Sprecher, als Schauspieler, und er hat zwei Filme produziert: die Schneewittchen-Parodien "7 Zwerge - Männer allein im Wald" und "7 Zwerge - Der Wald ist nicht genug".
Und jetzt Romy Schneider. Auf dem Filmfest in Cannes sei er angesprochen worden, ob er nicht einen Film über Romy Schneider mitproduzieren wolle, sagt Welbat. Er wollte. Er traf Daniel Biasini, dreißig-, vierzigmal, wie er sagt. Am Ende hatten sie ein Drehbuch. Und eine Romy Schneider, die lebensbejahend gewesen sei. "Aber, und das passt nicht in die Spießerseele, sie hat gesagt, da ist eine Grenze, und da will ich mal dahintergucken". Sie habe einfach gerne gelebt, "nur heute, wo alle linksgedrehte Milchsäure trinken, denkt man bei einer Frau, die Rotwein trinkt, gleich an eine Alkoholikerin".
Hinter dem Bild einer unglücklichen, labilen Romy Schneider scheint 26 Jahre nach ihrem Tod ein anderes aufzutauchen. Douglas Welbat und Torsten C. Fischer beschreiben ähnliche Frauen. Dennoch ist da der Eindruck, dass sie zwei sehr unterschiedliche Filme drehen werden.
Douglas Welbat erzählt von dem Casting, europaweit. Herausgekommen ist Yvonne Catterfeld. Die Darstellerin aus "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" und einer Telenovela. Die von Dieter Bohlen produzierte Sängerin. Douglas Welbat kennt die belustigten Blicke. Er beantwortet sie mit einem Satz, der ihm Freude macht. Romy Schneider, dem Star der "Sissi"-Filme, habe man zuerst auch nicht zugetraut, ernste Rollen zu spielen.
Ein paar Szenen mit Yvonne Catterfeld als Romy Schneider kann man sich schon ansehen. Als Mädchen, als junge und als etwa 40-jährige Frau. Catterfeld, 28 Jahre alt, spricht Worte, die Romy Schneider gesprochen hat. Angst vor dem Original spürt man nicht. Da ist Ähnlichkeit und eine gewisse Intensität des Spiels, die man von Yvonne Catterfeld noch nicht kennt. Trotzdem sieht man vor allem Yvonne Catterfeld, die Romy Schneider spielt.
23 Millionen Euro soll der Film kosten, fast fünf Mal so viel wie das ARD-Projekt. Zu 80 Prozent sei das Geld beisammen, sagt Douglas Welbat. Regisseur ist Josef Rusnak, dessen Thriller "13th floor" hatte Welbat gut gefallen. "Eine Liebeserklärung an unsere Freundin Romy Schneider" werde der Film, sagt Welbat. Hätte sie die gewollt? Vielleicht hätte sie gelacht. Sie hat gerne gelacht, liest man.
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