Souce : Bluewin.ch - 19 juin 2009
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Da schritten sie ehrfürchtig die Gänge in den Kaiserappartements der Wiener Hofburg ab, lauschten andächtig den Audioguides - und dann dürften die Touristen wohl kurz an ihrem Verstand gezweifelt haben: Huschten da doch leibhaftig Sisi, Kaiser Franz Joseph und die Erzherzogin Sophie durch die Räume! «J'ai une vision!», ahmt Martina Gedeck später lachend die Besucher nach. «Ich habe eine Erscheinung!» Sie spielt Sisis Schwiegermutter in Xaver Schwarzenbergers «zeitgemässer» Neuverfilmung des historischen Stoffs, der jetzt unter anderem in Wien Gestalt annimmt: «Sisi» als Liebes-, als Emanzipationsgeschichte und als Duell zweier starker Frauen.
Das berühmte Sternenkleid trug die echte Kaiserin eigentlich erst nach jener Phase, die im Film erzählt wird. Aber ein «Sisi» -Film ohne Sterne? Da hat man lieber ein Auge zugedrückt.
Sisi (Cristiana Capotondi) und Franz (David Rott): Es begann als Liebesheirat gegen die Konventionen. Am Nachmittag des 24. Drehtages warten die drei Hauptdarsteller Cristiana Capotondi, Martina Gedeck und David Rott in den einstigen Kaiser-Gemächern auf ihren Einsatz. Gleich sollen sie vom Balkon aus dem Volk den neugeborenen Thronfolger Rudolf präsentieren. Tatsächlich brechen plötzlich die etwa 130 Komparsen (bei der digitalen Nachbearbeitung sollen daraus später etwa zehnmal so viele werden) in Jubel aus. Sehr überzeugend, wenn man bedenkt, dass sie schon eine Weile im kalten Mai-Regen froren. Doch was tut man nicht alles, um an einer Produktion teilzuhaben, von der so mancher hofft, der TV-Zweiteiler möge sich eines Tages neben der Kult-Trilogie mit Romy Schneider einreihen?
Um vier Uhr morgens am Set sein zum Beispiel, um entsprechend der Mode des Kaiserreichs (sanft modernisiert) eingekleidet und frisiert zu werden. Denn vormittags mimten die Statisten bereits Hochzeitsgäste in der Michaelerkirche (nicht Originalschauplatz der kaiserlichen Vermählung, aber zumindest der von Romy Schneiders und Karlheinz Böhms Film-Jawort). Sisi: «Darf ich dich küssen, Franz?» - Franz Joseph: «Was hier?» Dann tun sie's. Eine unkonventionelle Liebe wird hier inszeniert: der Kaiser und sein junger bayerischer Wildfang. Regieassistent Jochen Nitsch forderte eine «Reaktion des Entsetzens» von der Hochzeitsgesellschaft. «Aber nicht übertreiben!» Das oder gar in den Kitsch abrutschen, das soll bei aller Opulenz der Ausstattung tunlichst vermieden werden bei dem deutsch-österreichisch-italienischen Gemeinschaftsprojekt.
Von Ernst Marischkas «Sissi»-Trilogie grenzt man sich schon allein durch die Schreibweise mit einem «s» ab (Wie die Kaiserin sich auch selbst schrieb). Ein «Frrranz!», wie es Michael «Bully» Herbig später treffend parodierte, soll es bei der modernen Fassung ebenso wenig geben wie das «Papili». Wie «Sissi» die Werte der 50-er hochhielt, soll Schwarzenbergers «Sisi» eine emanzipierte Frau zeigen. «Mich interessierte von Anfang an die in Bayern liberal erzogene Sisi, die fast noch als Kind in etwas hineinstolperte, von dem sie nicht ahnen konnte, was auf sie zukommt.» Ein konservatives Haus und die strenge Etikette am Wiener Hof. «Durch ihre Erziehung ahnte sie aber sehr wohl, dass sie Widerstand leisten muss und kann.»
Der Rebell Sisi also. «Das ist eine ganz andere Geschichte als die, die in den 50er-Jahren erzählt wurde.» Es ist auch eine andere Geschichte als jene von der Kaiserin, die dem Schönheitskult verfallen war, nachts Rindfleisch-Masken auflegte und 1898 von einem Attentäter erstochen wurde. «Ich lasse mich nicht ein auf die neurotische Sisi, die magersüchtige Sisi, die depressive Sisi», erklärt Schwarzenberger. «Ich will nicht den Mythos zerstören. Ich will ihn eher sogar aufbauen, nur vielleicht ein bisschen verändern.» So beginnt seine Geschichte mit Sisis Jugendjahren im bayerischen Possenhofen und endet mit ihrer Krönung zur Königin von Ungarn, ihrem grossen politischen Sieg.
Die Entscheidung, den Stoff überhaupt noch einmal anzupacken, sei ihm leicht gefallen, sagt Schwarzenberger, der als Wiener mit dieser Geschichte aufwuchs. «Schon deshalb, weil ich auch Leute kenne, die das immer machen wollten - schon vor 20 Jahren. Es ist nie gelungen.» Der Regisseur, der auch die Kamera führt, wirkt völlig entspannt, selbst am Set. Anstrengend sei eher die Vorbereitung gewesen. Drei Länder mit unterschiedlichen Vorstellungen zufriedenzustellen ... Dagegen sei die Dreharbeit «jetzt reines Vergnügen».
Dem italienischen Drehbuch hat am Ende Christiane Sadlo alias «Inga Lindström» (ZDF) den letzten Schliff verpasst. Und was die Besetzung angeht ... So konnte die Österreicher schliesslich doch ein «Piefke» als Franz Joseph überzeugen. Der Deutsche David Rott («Die Rebellin») hat aber immerhin am Wiener Max-Reinhardt-Seminar studiert. Für die Rolle der Sisi eine Italienerin zu wählen, war vermutlich das einzig Richtige - zumindest geografisch die weitestmögliche Entfernung von Romy Schneider. Obwohl ihre Filme, Dauerbrenner auch in Italien, selbst das «Sisi»-Bild von Cristiana Capotondi prägten. Aber: «Romy Schneider wird immer Romy Schneider bleiben.» Damit wolle die 28-Jährige auch nicht konkurrieren. «Ich will einfach nur gute Arbeit machen.»
Die Sophie schliesslich ist authentisch besetzt: «Sie war eine Bayerin - und ich bin auch eine Bayerin», erklärt Martina Gedeck (zuletzt in «Der Baader Meinhof Komplex» und «Geliebte Clara» im Kino zu sehen). Ihre Präsenz hier im goldglänzenden Kostüm und der kunstvollen Frisur mag zunächst überraschen. Auch Produzentin und Schwarzenberger-Lebensgefährtin Susanne Porsche berichtet stolz: «Ich träumte, das sie die Sophie spielt. Alle sagten mir: 'Die kriegst du nie!'» Schwarzenberger kriegte sie. «Er rief mich an und sagte: 'Ich brauche eine starke Frau als Gegenspielerin zur Sisi'», sagt die Gedeck. Sie habe gleich zugesagt. «Der Xaver lässt jeden Schauspieler in seinem Können zu seinem Recht kommen.»
Sie habe die Tagebücher und Briefe der Sophie gelesen, die früher «der einzige Mann bei Hofe» genannt wurde, und die alten Filme erst einmal vergessen, in denen die Erzherzogin nicht unbedingt gut wegkommt. «Die sind Kult, aber hier geht es doch darum, dass ein traditionelles Habsburger Reich gegen eine mehr oder weniger bürgerliche Einstellung steht, die sich ankündigt», sagt die Schauspielerin, und zumindest für deutsche Ohren hat sich auch in ihrer warmen Stimme schon ein Hauch von Wiener Akzent eingeschlichen. «Elisabeth steht für die Moderne, den Liberalismus und dafür, den Habsburger Staat abzuschaffen. Das ist eine Bedrohung, die Sophie instinktiv spürt.» Martina Gedeck will eine Sophie zeigen, die ihre Familie liebte, «und die auch die Sisi sehr mochte», auf der aber auch enorme Verantwortung lastete.
Die Sisi am Habsburger Hof, das erklärte Martina Gedeck aus der Sophie-Perspektive ihrem Kollegen David Rott so: «Stell dir vor, Michelle Obama kommt ins Weisse Haus und sagt: Ich möchte jetzt gerne nach Korfu reisen und dann nach Madeira, weil ich Husten habe ... » Aus der «Sisi»-Sicht schwärmt Cristiana Capotondi, die manchmal aussieht wie eine noch zartere kleine Schwester von Cate Blanchett: «Sie war eine von uns! Sie war eine normale Frau, und sie war so modern - man kann sich vorstellen, dass Sisi heute unter anderen Umständen mit den gleichen Problemen lebt.»
In der Produktion von EOS Entertainment, Sunset Austria und Publispei für ZDF, ORF und RAI steuert Italien ausser der ebenso süssen wie ausdrucksstarken Hauptdarstellerin noch einiges auf der emotionalen Seite bei: die Kostüme, zu denen allein über 40 neu gefertigte Sisi-Kleider zählen, und die Musik. Neben der Wiener Hofburg sollen ausserdem historische Schauplätze wie der Lido und die Gassen von Venedig sowie das Schloss Miramare bei Triest bespielt werden. Die rund elf Millionen Euro teure Produktion umfasst mitunter 2.000 Komparsen, 20 Kutschen, 100 Pferde, ein historisches Schiff sowie Schlachtenszenen (Königgrätz und Solferino).
Voraussichtlich bis Anfang Juli werden sich die Darsteller - unter ihnen auch Fritz Karl (Graf Andrassy), Friedrich von Thun (Feldmarshall Radetzky) und Herbert Knaup (Herzog Maximilian) - noch in historische Schale schmeissen. Das Ergebnis soll - ganz in der Nähe der traditionellen Marischka-Wiederholung bei Sat.1 - zur Weihnachtszeit zu sehen sein: am 27. und 30. Dezember im ZDF.
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