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Wunderschön, weltberühmt und todunglücklich
Sie war eine der besten und erfolgreichsten Schauspielerinnen Deutschlands und fasziniert bis heute: Am Dienstag hätte Romy Schneider ihren 70. Geburtstag gefeiert. Lisa Feldmann über die Mode, die Liebe und das Leid einer Stilikone
Wir wollten mal eine Wohnung mieten in Berlin, einfach weil sie im Nachbarhaus von Romy Schneider lag. In der Winklerstraße in Grunewald. Dabei hat Romy Schneider dort gerade einmal vier Jahre gelebt. Von 1966 bis 1970. Zusammen mit Harry Meyen, ihrem ersten Ehemann, dem zweiten großen Fehlgriff in Sachen Männer, dem noch eine Reihe anderer folgen sollte. Dennoch, seltsamerweise, scheint Romy Schneider hier bis heute gegenwärtig, West-Berlin war vielleicht nie wieder so sexy wie zu dieser Zeit.
Hier wurde ihr Sohn David geboren, hier schob die junge Familie den Kinderwagen durch den Schneematsch, hier entstanden die Familienporträts, die signalisierten: Man kann ein Kind haben und dennoch cool bleiben.
Was heute Madonna und Guy Ritchie nur mit viel Aufwand und noch mehr Stylisten hinbekommen, wofür Katie Holmes und Tom Cruise viel Geld zahlen würden, und was nicht einmal Vanessa Paradis und Johnny Depp geschafft haben, gelang hier mühelos, weil es völlig authentisch war. Eine Kleinfamilie war mit einem Mal nicht mehr per se spießig.
Das lag nicht unbedingt am Kleiderstil Romy Schneiders. In ihrer Berliner Zeit gab sie überzeugend die modisch unaufgeregte Dramaturgengattin, die gern Hosen trug, schlichte Rollkragen, flache Schuhe. Pariser Schick, gab sie zu Protokoll, fehle ihr überhaupt nicht, sie sei doch jetzt - Augenzwinkern - Hausfrau und Mutter. Bezeichnenderweise wird sie die Mode wiederentdecken, wenn sie Paris wiederentdeckt, nicht einmal fünf Jahre später. Sie wird sich nach anstrengenden Drehtagen mit einem Juwelierbesuch in der Rue Saint-Honoré belohnen, an glamourösen Galaabenden Prêt-à-porter-Mode tragen, von Yves Saint Laurent oder Kenzo, und diesen Avantgardisten so rasch zu einer größeren Öffentlichkeit verhelfen. In der Winklerstraße hängt sie das Chanel-Kostüm, in dem sie Harry Meyen kennenlernte, erst einmal in den Schrank - diese "Uniform der Bourgeoisie". Entscheidender als Kleider sind für den Grunewalder Look das Kind auf ihrem Arm, der Mann an ihrer Seite. Und er stand ihr verdammt gut, dieser "Total Look".
So wie Romy Schneider damit umging, bedeutete ein Kind zu haben weder, dass man seine Karriere total vergessen konnte, geschweige denn Alkohol oder Zigaretten, noch dass man ab jetzt weniger lässig angezogen war. Oder keine glamourös eingerichtete Wohnung zu haben, in der man abends gemeinsam mit der intellektuellen und kreativen Elite Berlins elegante Dinnerpartys genießen konnte.
Ein Kind zu haben bedeutete außerdem nicht, mit dem Vater des Kindes zusammenbleiben zu müssen. Diese Spielregel promotete Romy lange bevor es zur kleinbürgerlichen Gewohnheit werden sollte, "alleinerziehend" zu sein.
Als das Ehepaar Haubenstock - so der gemeinsame Name im Pass - wegen Theaterverpflichtungen Harry Meyens nach Hamburg umzog, war das der Anfang vom raschen Ende dieser scheinbar harmonischen Koexistenz. Hamburg hatte Romy nichts zu bieten. Hier gab es nicht einmal Bohemiens im Freundeskreis oder Kommunen, nur bürgerliche Freunde in muffigen Altbauwohnungen. Und der eigene Mann war plötzlich kein Held mehr. Nur ein schlecht angesehener Regisseur an einer zweitklassigen Bühne. Romy wurde nervös.
Gut zwei Jahre nach der Geburt von Sohn David nimmt sie ihre Karriere wieder auf, als sei nichts gewesen. Alain Delon ruft an, spät am Abend, erzählt von einem Film namens "Der Swimmingpool", Drehort Südfrankreich, sie beide in den Hauptrollen, wäre das nicht wunderbar?
Angeblich hat Romy Schneider auf der Stelle zugesagt, zum ersten Mal nicht den vierzehn Jahre älteren Brillenträger an ihrer Seite konsultiert, geschweige denn seine Bedenken geprüft, wie er es von ihr in den vergangenen vier Jahren verlangt hatte. Stattdessen startet sie umgehend ein rigides Fitnessprogramm und hält streng Diät. Schluss ist mit "Kartoffelsalat vor dem Fernseher", dem Lieblingsabendprogramm von Harry Meyen, ab geht es nach Saint-Tropez, schon zwei Wochen vor Drehbeginn, um den wiedergewonnenen Körper der Rolle gerecht vorzubräunen.
Und hier, am Flughafen in Nizza, unter den Augen der Weltpresse, die das Wiedersehen mit Alain Delon nach fünf Jahren begeistert dokumentiert, beginnt das Leben der Romy Schneider noch einmal. Sie stürzt sich ausgehungert in die Arbeit, empfängt in Drehpausen den leicht gereizten Ehemann, den Babysitter von David, und lässt sich von den Fotografen von "Stern" und "ParisMatch" nackt im Mittelmeer ablichten. Sie begreift zum ersten Mal die ewige Medienmathematik von nackter Haut gleich Titelbild in Farbe gleich Kinokasse und wird dieses Rechenexempel in Zukunft noch oft exerzieren.
Ihr Gesicht, das von nun an immer öfter in Nahaufnahmen festgehalten werden wird, ist jetzt ein anderes. Das liegt daran, dass Romy Schneider nach der langen Babypause ihr Faible für Make-up wiederentdeckt. Als Kinderstar schon früh an die Maske gewöhnt, die sie locker zehn Jahre älter machen konnte, fängt sie jetzt wieder gezielt an, "dick aufzutragen". Der Look der ausgehenden 60er-Jahre wird auch in späteren Jahren so etwas wie ihr Markenzeichen: stark geschminkte Augen, die Haare aus dem Gesicht, um den markanten Haaransatz zu betonen, dunkle Make-ups, die ihrem Ausdruck etwas Theatralisches verleihen. Im Paris dieser Epoche fällt es nicht auf, wenn man in einem Restaurant am trendigen linken Ufer der Seine zu einem ganz banalen Dienstagabenddiner geschminkt erscheint, als stehe man auf der Bühne der Oper. Im Gegenteil, die "Rive-gauche-Prominenz" schillert um die Wette, ein wenig Halbwelt gehört zum guten Ton. Ungeschminkt geht man nicht einmal ins Bett, außer wenn man ausnahmsweise einmal allein darin liegt. Nicht selten sind deswegen für Romy Schneider Make-up-Artisten die wirklich vertrauten Personen innerhalb einer Filmcrew, sie richten sie nach einem langen Drehtag so her, dass sie auch ihrem Publikum in der "Brasserie Lipp" gefällt.
Nach dem auch kommerziell großen Erfolg von "Der Swimmingpool" ist "Sissi" endgültig tot. Die herzige Österreicherin der 50er-Jahre-Filmbälle: tot. Das junge, leicht irregeleitete Talent mit internationalen Chancen: mausetot. Die verlobte und verheiratete, verführte und geläuterte Romy: alle tot. Übrig bleibt allein die Schauspielerin Romy Schneider, und wer immer sich ab jetzt auf sie einlassen wird, soll das keine Sekunde vergessen. Nie wieder wird sie von nun an etwas tun, was nicht ihrer Person als Schauspielerin gerecht wird. Nur noch ganz selten wird sie lachen oder weinen, fluchen, schreien, schluchzen oder tanzen, ohne dabei an die Kamera zu denken, das Gegenüber, das sie spiegelt.
In den vielen berühmten Filmen der 70er-Jahre, die bis heute ihren Mythos begründen, erkennt man unschwer das immer gleiche Psychogramm. Leicht zu verletzende, nach Liebe und Zuwendung lechzende, oft hysterische Frauen, die ihre Neigung auszurasten mit Leidenschaft verwechseln. Und man ahnt, dass auch die wirkliche Romy leicht ausflippt - nicht nur, wenn einmal wieder die Nachricht von einem Nervenzusammenbruch durch die Gazetten geistert. "Mehr und mehr entblättert sich ein Bündel brachliegender Nerven, unkontrollierbarer Emotionen. Selbstironie scheint Furcht einflößend und weitab von ihrem Sprachschatz, Denken, Fühlen. Sie erinnert an die Monroe. Widerborstiger, angriffsbereiter als jene, doch gleichermaßen verwundbar-wankelmütig." So beschreibt Hildegard Knef die Kollegin in diesen Tagen.
Dass sie bereit ist, jeden Millimeter Haut für Großaufnahmen zu entblößen, interpretiert man als Mut, wichtige Filmpreise bekommt sie immer dann, wenn sie besonders viel weint vor der Kamera, sich demütigen lässt, verlassen wird oder vergewaltigt. Die legendären sieben Minuten in "Mado" rücken ihr Gesicht ins Zentrum des Filmplakates - einfach weil man sich später nur daran erinnern wird: Die Schneider hatte einen Auftritt.
Bei "Nachtblende" fühlt sie sich für das gesamte Projekt verantwortlich, als klar wird, dass der Regisseur mit der Ansammlung mittelmäßiger Egomanen wie Klaus Kinski oder Fabio Testi nicht fertig wird. Sie ist mit der Produzentin befreundet, weiß, dass nur Boulevardgeschichten über neue Grenzüberschreitungen die Menschen ins Kino locken. Also masturbiert sie vor der Kamera, heult sie mit verschmiertem Make-up, verwüstet sie Restaurants und gibt die Gescheiterte, als gäbe es kein Morgen. Ein weiterer Zusammenbruch, die Affäre mit einem Schlagersänger, offen ausgetragene Konflikte mit dem Team am Set, dazu erste Gerüchte über einen neuen Ehemann in ihrem Leben (Daniel Biasini avanciert gerade vom Sekretär zum Liebhaber) - genug Schlagzeilen, die wieder für volle Kinos sorgen. Schon in "Der Swimmingpool" kann sie nur lieben, was unglücklich macht, von jetzt an werden Variationen dieses Themas die Auswahl ihrer Drehbücher bestimmen. Im wahren Leben legt sie sich bei jedem Dreh mit einem anderen Mann ins Bett, und wenn diese Kollegen, Regisseure, Komparsen später darüber Auskunft geben, tun sie es im günstigen Fall mitleidig, nicht selten voller Verachtung.
Ausgerechnet Alain Delon, den sie sich aus dem Herzen reißen musste, als er sie über Nacht wegen einer neuen Frau verließ ("Bin mit Nathalie nach Mexiko. Alles Gute. Alain"), wird der einzige Mann in Romys Leben werden, der sie tatsächlich liebt. Er hat bei den Dreharbeiten zu "Swimmingpool" noch einmal einen Versuch gemacht, ihre Beziehung wieder zu beleben und schaltet nach einer klaren Absage Romys ("Nichts ist kälter als eine tote Liebe.") problemlos auf ritterlicher Freund um. Er wird von nun an immer da sein, wenn sie ihn braucht. Er telefoniert mit ihr, stundenlang, wenn sie einen Gesprächspartner braucht. Er verbringt Weihnachten mit ihr, inzwischen bereits mit der nächsten Frau verheiratet, wenn sie einsam ist ohne ihren Sohn, den der Vater nach Hamburg einbestellt hat. Er schickt seine Bodyguards, um sie abzuschirmen in den tragischen Momenten ihres Lebens. Und er ist der Erste, der bei ihr ist, als sie sich aus dem Leben verabschiedet. Delon liefert der Presse eine offizielle, würdige Erklärung für ihren Tod. Nicht ihre Familie, nicht ihr aktueller Lebensgefährte.
In diesen Tagen wäre Romy Schneider siebzig geworden. Kaum vorstellbar, wie das ausgesehen hätte. Eine "Das war ihr Leben "-Sendung im französischen Fernsehen, mit noch lebenden Weggefährten und Ex-Männern. Eine im deutschen Fernsehen, vielleicht mit Alice Schwarzer und Dietmar Schönherr? Die mit Romy Schneider noch einmal die eigene mediale Bedeutung beschwören könnten aus längst vergangenen Tagen? Ein Themenabend auf Arte, durch den die ebenfalls schauspielerisch ambitionierte Tochter Sarah Biasini führen könnte? Das kann doch gar nicht sein, dass ihr das besser gefallen hätte als dieser rasche Abschied in der Nacht vor fast dreißig Jahren.
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